Künstliche Intelligenz in der Medizin: Erwarten Sie das Unerwartete

1. August 2024
Künstliche Intelligenz in der Medizin ist in aller Munde - und jeder versteht etwas anderes darunter. Das ist zumindest der Eindruck derjenigen, die sich intensiver mit dem Thema beschäftigt haben. Künstliche Intelligenz wirkt daher immer ein wenig nebulös und unsicher. Und Unsicherheit ist etwas, das Meedio unbedingt vermeiden will - sei es im Umgang mit Daten oder in der Frage der Produktentwicklung. Runi Hammer, CEO und Gründer von Meedio, beantwortete Fragen zu künstlicher Intelligenz und ihrer Rolle im Unternehmen.

Kein IT-Unternehmen kann sich dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) entziehen. Was denken Sie als Meedio-CEO über die Risiken und Potenziale von KI und wie findet KI Einzug in Meedio-Produkte?

Runi: Wenn wir über den Einsatz von KI sprechen, ist eines wichtig zu betonen: Künstliche Intelligenz ist kein Zukunftsthema mehr, sie ist längst in unserem aller Alltag angekommen. Auch im medizinischen Alltag. Wenn wir also darüber sprechen, welche Rolle KI spielen wird, dann ist das nicht mit der Frage verbunden, ob sie eines Tages kommen wird. Vielmehr geht es darum, wie wir in Zukunft mit KI umgehen wollen, welchen Raum wir ihr geben und in welche Richtung wir sie lenken. Eines ist schon jetzt sicher: Der Einsatz von KI wächst exponentiell, wir stehen am Anfang einer sehr steilen Kurve und schon in wenigen Jahren wird KI der wichtigste Faktor für Innovationen sein. Unternehmen, die KI noch nicht in ihre Produkte integriert haben, arbeiten hart daran, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.


In welchen Bereichen der Medizin ist KI heute schon fest verankert?

Runi: In allen. Wer in diesem Jahr die DMEA, Deutschlands größte Gesundheits-IT-Messe in Berlin, besucht hat, wird festgestellt haben, dass fast alle Aussteller mit der Integration von KI in ihre Produkte werben. Der Einsatz von KI in der Radiologie zur Diagnoseunterstützung oder der Einsatz von sprachgesteuerter Befundung sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Und wenn wir uns fragen, wie zukünftige, KI-basierte Lösungen in der Medizin aussehen werden, müssen wir feststellen: Wir wissen es heute noch nicht. Und das ist die zweite wichtige Botschaft in Bezug auf KI: Das Potenzial von KI ist riesig und übersteigt unsere derzeitige Vorstellungskraft. Es wäre ein Fehler, KI-basierte Innovationen ausschließlich in Weiterentwicklungen von Software zur Erkennung von Rundherden oder einer vollständigen Sprachsteuerung von Software zu sehen. Entscheidend wird sein, dass wir unsere Energie auf die Bereiche lenken, die das größte Potenzial zur Arbeitserleichterung bieten - zum Beispiel die medizinische Dokumentation.


ChatGPT hat in der medizinischen Gemeinschaft großes Aufsehen erregt, wie bewerten Sie die Lösung?

Runi: ChatGPT ist ein gutes Beispiel für die nächste Stufe der KI. Die erste Stufe bestand darin, Informationen auf der Grundlage von Daten über Vorlieben so auszuwählen, dass sie für den Nutzer am ehesten relevant sind. Das kennen wir aus den sozialen Medien. ChatGPT geht noch einen Schritt weiter, denn die Lösung tritt in einen direkten Dialog mit dem Nutzer und birgt damit die Gefahr einer individualisierten Manipulation. Künstliche Intelligenz kontrolliert jetzt unsere Sprache. Und wir alle wissen, welch wunderbare Welten und welche Bedrohungen Sprache schaffen kann. Indem sie die Sprache beherrscht, kann die KI potenziell das menschliche Verhalten steuern. Sie kann einem Arzt während einer Operation lebensrettende Anweisungen geben. Oder sie kann helfen, Menschen zu radikalisieren. Beides ist möglich.


Das klingt ein bisschen dystopisch.

Runi: Künstliche Intelligenz hat keine Eigenschaften. Wir geben sie ihr. Deshalb ist es so wichtig, dass wir kluge Entscheidungen darüber treffen, wie wir KI einsetzen. In der Medizin ist uns das bisher sehr gut gelungen: KI unterstützt Ärzte bei ihrer Arbeit, hilft dabei, bessere individuelle Entscheidungen zu treffen, und macht die Versorgung der Menschen persönlicher und damit besser. Jetzt geht es darum, diesen intelligenten Weg weiterzugehen. Wie ich bereits sagte, müssen wir uns auf die wesentlichen Punkte konzentrieren. Die Dokumentation zum Beispiel ist heute noch wenig automatisiert, die Ärzte müssen noch viel selbst dokumentieren und sich Informationen selbst beschaffen. Das können wir mit KI ändern. Bald werden Ärzte weniger Zeit mit dem Sammeln und Zusammenstellen von Informationen verbringen und mehr Zeit mit der Behandlung von Patienten. Und diese Entwicklungen vollziehen sich unglaublich schnell.


Kommen wir nun zu Meedio und seinem Kernprodukt, der Videokommunikation. Setzt Meedio bereits KI für die Produktentwicklung ein?

Runi: Natürlich nutzen wir auch KI in unserer Entwicklung. Aber nur für das Training unseres Kundendienstes. Wir wollen herausfinden, ob KI unseren Kundenservice besser und schneller machen kann, damit die Nutzer noch mehr von unserer Lösung profitieren können. Unsere Kunden sollen sich in Zukunft nicht mehr durch FAQs lesen müssen, sondern schnell eine Lösung für ihr Anliegen erhalten - egal in welcher Sprache.


Und natürlich nutzen wir KI auch intern, um unsere Software weiterzuentwickeln. Das Schreiben von Code ist heute ohne den Einsatz von KI nicht mehr denkbar. Wir wären viel zu langsam und nicht mehr wettbewerbsfähig.


Aber Meedio nutzt keine Kundendaten, um KI zu füttern?

Runi: Nein, absolut nicht. Für das Training des Servicetools verwenden wir nur die Daten aus unserem Benutzerhandbuch. Und auch an anderer Stelle werden keine Kundendaten verwendet.


Was ist mit dem Teil des Produkts, den die Nutzer sehen und erleben? Also die Videokommunikation und der Ausstellungsring?

Runi: Hier geht es darum, die Daten und Informationen, die ausgetauscht werden, so gut wie möglich zu schützen. Also zu garantieren, dass in unserem Produkt keine KI steckt. Denken wir an die inzwischen schon beunruhigenden Fälle von Deep-Fake-Bildern und -Videos, die es Laien fast unmöglich machen, zu entscheiden, ob das, was sie sehen oder hören, echt ist. Deep-Fake ist ein Thema, das uns auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit beschäftigt. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, um jeden Preis zu verhindern, dass unsere Nutzer an der Echtheit eines Gesprächs oder eines Gesprächspartners zweifeln können. Wir müssen garantieren, dass ein Gespräch echt ist. Dass ein Patient mit seinem Arzt spricht. Mit dieser Aufgabe beschäftigen wir uns bereits und wir haben auch schon einige gute Ansätze dazu. Der wichtigste davon ist, dass wir die gesamte Plattform, auf der unsere Lösung läuft, kontrollieren können.


Welche Rolle spielen gesetzliche Regelungen, um KI in die richtige Richtung zu lenken?

Runi: Eine große Sache. Es muss verbindliche Regeln für alle geben, und es muss gesetzliche Definitionen für den Einsatz von KI geben. In der EU haben wir mit der GDPR einen soliden Rahmen geschaffen. Aber sie beantwortet nicht die drängenden Fragen: Wer ist für KI-generierte Ergebnisse verantwortlich? Wer ist haftbar, wenn etwas passiert? All das ist noch lange nicht geklärt. Wenn wir die kommenden Entwicklungen betrachten, muss die Politik bei der Entwicklung von Konzepten für den Schutz der Bürger und den verantwortungsvollen Einsatz von KI wirklich einen Gang zulegen.